Jugenderinnerungen von Elisa Hoenig

 

Die persönlichen Aufzeichnungen meiner Urgrossmutter

 

Als Teresinas Onkel, Samuel (?) Carnelli, einen tüchtgen Angestellten für sein Geschät suchte, wurde ihm mein Vater, der mit guten Zeugnissen ausgestatet war, empfohlen. In dieser Stellung kam er oft in das Haus von Peppi Carnelli in geschäftlichen Angelegenheiten. So lernte er meine Mutter kennen. - Die beiden fanden bald gefallen aneinander und die gegenseitige Zuneigung.

 

Als Onkel und Tante das Verhältnis Teresinas zu dem jungen Hoenig bemerkten, wurde ihm das Betreten des Hauses strengstens verboten und der Teresina mit harten Strafen gedroht, falls sie das Verhältnis mit dem Plebejer nicht ganz aufgebe. -

 

Still ergeben schien Teresina sich dem Willen ihrer Pfleger zu unterwerfen. Aber im Geheimen loderte die Glut der Liebe weiter. In den Abendstunden durfte sich Teresina in den weiten Parkanlagen von der Arbeit des Tages erholen gehen. Da wurde an entlegenem Ort, wo die Tante sicher nicht hinkommen konnte, ein Stelldichein verabredet, wo die Geliebten sich trafen und ihre Zukunftspläne schmiedeten. Aber nicht lange dauerte dieses Glück, weil dem Onkel diese Umgebung hinterbracht wurde. Der machthabende Onkel gab seinen Jägern Befehl, allabendlich den Park zu durchforschen und wenn sie den Hoenig erspähen, ihn kurzweg niederzuschiessen. -

 

Meinem Vater wurde auch dieses Urteil bekannt gegeben. Er ersann aber eine neue List und verkleidete sich des Abends in stark abgetragene Bauernkleidung mit grossen Schuhen und einem schäbigen Hut auf dem Kopfe. Bräunte und malte tiefe Furchen in sein frisches Gesicht, und mit einem Spaten auf der Schulter ging er gebückt und schweren Schrittes durch das Dorf bis zur Umzäunung des Parkes, wo er seine Geliebte zu treffen wusste.

 

Niemand hätte in diesem müden alten Manne den stämmigen jungen Hönig vermutet. Mehrmals ging er an seinen Verfolgern vorbei, die mit geladenen Jagdgewehren nach dem edlen Wild spähten, und wünschte ihnen mit verstellter, heiserer Stimme einen guten Abend! - So gelang es ihm, seine Teresina zu sehen und zu sprechen. Diese Zusammenkünfte wurden niemandem anvertraut und von niemandem entdeckt.

 

Der Verkehr der heimlich Verlobten dauerte sieben lange Jahre. - In dieser Zeit gab sich meine Mutter alle Mühe, um der guten Tante recht an die Hand zu gehen, um ihr früheres Wohlwollen wieder zu erlangen. Die Tante ihrerseits war wieder herzlich und gut zu ihrer Nichte. Zu allen gesellschaftlichen Anlässen und Bällen wurde Teresina wieder mitgenommen. Gewiss nicht ohne den geheimen Wunsch der Tante, ihrer lieben Nichte einen standesgemässen Freier zu verschaffen. Aber meine Mutter blieb jeder Annäherung ferne. -

 

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